3D-Technologie
in der Laparoskopie

3D-Laparoskopie – eine Brücke zwischen konventioneller Chirurgie und Robotik

Prof. Dr. Jörg Glatzle, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Stellvertretender Ärztlicher Direktor, Klinikum Konstanz

Vorwort

Die laparoskopische Operation hat in Deutschland eine lange Tradition. Die erste laparoskopische Blinddarmentfernung wurde 1980 an der Universitätsfrauenklinik zu Kiel durch den Gynäkologen Professor Dr. Kurt Semm durchgeführt.

Fünf Jahre später erfolgte die erste laparoskopische Gallenblasenentfernung weltweit durch den Chirurgen Professor Dr. Erich Mühe am Kreiskrankenhaus Böblingen. Schon damals war Mühe von der schnellen Rekonvaleszenz seiner Patienten nach der laparoskopischen Operation beeindruckt. Er entwickelte die Technik der laparoskopischen Cholezystektomie weiter und verfeinerte die Operationsinstrumente. Ein Jahr nach seiner ersten erfolgreichen Cholezystektomie stellte er seine Ergebnisse auf dem Deutschen Chirurgenkongress in München vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte Professor Mühe bereits 97 laparoskopische Cholezystektomien durchgeführt. Seine neue Operationsmethode stieß allerdings auf Ablehnung bei seinen Kollegen. Die minimalinvasive Operationsmethode wurde als zu gefährlich eingestuft. Dies ist aus heutiger Sicht, gute 30 Jahre später, kaum vorstellbar.
Heutzutage hat sich die laparoskopische Cholezystektomie als Standardmethode zur Entfernung der Gallenblase etabliert, ohne dass je eine vergleichende randomisierte prospektive Studie zur Überlegenheit der laparoskopischen gegenüber der konventionellen Cholezystektomie durchgeführt wurde.
Die Vorteile der laparoskopischen Chirurgie sind evident: schnellere Rekonvaleszenz durch geringeres Trauma im Bereich der Bauchdecke, weniger Schmerzen, schnellere Mobilisation, weniger abdominelle Verwachsungen und eine geringere Krankenhausverweildauer sowie Krankheitsdauer.
Die Methodik der laparoskopischen Chirurgie wurde über die Jahre weiterentwickelt und verfeinert, sodass mittlerweile alle abdominellen Organe laparoskopisch operiert werden können. Wesentliche Fortschritte haben die Videoübertragung auf einen Monitor, die Differenzierung der Operationsinstrumente und die Entwicklung von „seal and cut“-Instrumenten zur Blutstillung und weitgehend atraumatischen Gewebedurchtrennung erbracht.

Foto: Klinikum Konstanz

Millimetergenaue Steuerung

Um in Krisenherden ferngesteuert operieren zu können, wurde in den 1980er-Jahren ein Operationsroboter entwickelt. Dieser besteht aus einer Steuerkonsole, an der der Chirurg sitzt, und einer Robotereinheit, die sich im Operationssaal mit dem Patienten befindet. Der Operateur erhält über die 3D-Kamera, die über die Roboterarme in den Patienten eingebracht ist, ein Bild des Operationsfeldes und kann die weiteren Roboterarme ferngesteuert bedienen. Die Roboterarme, die mit den mikrochirurgischen Instrumenten bestückt sind, besitzen mehrere Rotationsachsen, sodass auf engstem Raum die Instrumente millimetergenau gesteuert werden können. Das Robotersystem da Vinci wurde ab der Jahrtausendwende zugelassen und befindet sich zunehmend im klinischen Einsatz. Ein wesentlicher Vorteil des Robotersystems ist, dass die gewohnten Freiheitsgrade, die eine menschliche Hand besitzt, auch auf engstem Raum auf die mithilfe der in Echtzeit gesteuerten Roboterarme übertragen werden können. Das Computersystem des Roboters ist sogar in der Lage, unwillkürliche Handbewegungen wie Händezittern zu unterdrücken. Durch das 3D-Kamerabild, das bei Bedarf auch vergrößert werden kann, kommen kleine Strukturen wie Nerven oder kleine Blutgefäße sehr gut zur Darstellung. Der wesentliche Nachteil des Robotersystems sind die immens hohen Anschaffungskosten und die hohen Kosten der mikrochirurgischen Instrumente, die nach zehn Einsätzen ausgetauscht werden müssen.

Hochauflösende 3D-Bilder und bessere Ergonomie

Die Miniaturisierung der 3D-Kameratechnik konnte die konventionelle laparoskopische Chirurgie ebenfalls revolutionieren. Bei dieser befinden sich zwei Kamerachips an der Spitze der Optik zusammen mit dem Glasfaser-Lichtleiter. Die Übertragung des 3D-Bildes erfolgt auf den Operationsmonitor. Der Operateur kann mithilfe einer 3D-Brille ein hochauflösendes dreidimensionales Bild des Operationssitus sehen. Das Bild kann wie bei dem Robotersystem mehrfach vergrößert werden, um feine Strukturen differenziert darzustellen. Das dreidimensionale Bild kann an einen weiteren Monitor übertragen werden, sodass sowohl der Operateur als auch die OP-Assistenz einen Monitor in ihrer jeweiligen Blickrichtung haben. Dadurch wird die Ergonomie für die Operateure wesentlich verbessert. In den Anfängen der laparoskopischen Chirurgie wurden die Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie vor allem bei dem Patienten durch das verringerte operative Trauma gesehen. Auf die Bedürfnisse des Operationsteams wurde wenig Rücksicht genommen. Durch zu kleine Monitore, unphysiologisch zu bedienende Instrumente und ungewohnte Haltungen bei der Operation litten die Operateure häufig unter Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen. Aufgrund der immensen Weiterentwicklungen der Laparoskopie innerhalb der letzten drei Jahrzehnte erfolgte sowohl eine wesentliche Ergonomisierung der Operationsinstrumente als auch eine deutliche Verbesserung der Visualisierung des Operationssitus. Dies führte bei den Chirurgen zu spürbar verbesserten Arbeitsbedingungen.

Dreidimensionale Raumwahrnehmung als entscheidender Lernvorteil

Mit der flächendeckenden Einführung der laparoskopischen Chirurgie musste das Ausbildungskonzept des chirurgischen Nachwuchses neu überdacht und überarbeitet werden. Das Training für laparoskopische Operationen findet in Trainingszentren statt. Dabei werden an synthetischen oder tierischen Organen die einzelnen standardisierten Operationsschritte geübt und durchgeführt. Die Schwierigkeiten bei der klassischen laparoskopischen Chirurgie sind die deutlich reduzierte Haptik im Vergleich zur konventionellen Operation und die deutlich reduzierte räumliche Wahrnehmung durch das erzeugte zweidimensionale Bild am Operationsmonitor. Im Rahmen einer Promotion haben wir das manuelle Erlernen von minimalinvasiven Operationstechniken an untrainierten Medizinstudenten am Chirurgischen Trainingszentrum in Konstanz eingehend untersucht. Die Studenten wurden dabei in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine erlernte die minimalinvasiven Techniken ausschließlich über das kameravermittelte zweidimensionale Bild am Operationsmonitor, die andere Gruppe dieselben Techniken sowohl an einem zweidimensionalen Monitorbild als auch über eine dreidimensionale Darstellung des Operationssitus. Dabei zeigte sich ganz deutlich, dass für das Erlernen von komplexen operativen Aufgaben eine dreidimensionale Raumwahrnehmung ein entscheidender Lernvorteil ist. Das mag auf den ersten Blick nicht überraschend sein, denn es spiegelt unsere Erfahrung im täglichen Alltag wider. Dennoch, bei der minimalinvasiven Operation am zweidimensionalen Monitor ist die Raumwahrnehmung auch bei erfahrenen Chirurgen gewöhnungsbedürftig und bedarf intensiven Trainings, insbesondere wenn komplexe Operationsmaßnahmen wie zum Beispiel intrakorporales Nähen und Knoten auf engem Raum durchgeführt werden müssen.

„wireless“ im Operationssaal

Am Klinikum Konstanz arbeiten wir seit April 2016 mit dem EinsteinVision® 2.0 3D-Laparoskopie-System. Es wird interdisziplinär in der Thoraxchirurgie, in der Gynäkologie und in der Viszeralchirurgie genutzt. In der Viszeralchirurgie kommt es routinemäßig bei allen komplexen Operationen wie beispielsweise Ösophagus-, Magen-, Pankreas-, Leber-, Kolon- und Rektumchirurgie zum Einsatz. Das System bietet eine hervorragende Bildqualität auf zwei Operationsmonitoren, die wahlweise auf 2D oder 3D umgeschaltet werden können. Die Funkanbindung des Zusatzmonitors macht es möglich, dass dieser „wireless“ im Operationssaal nach den Bedürfnissen der Operateure positioniert werden kann. Die Kamera mit der entsprechenden Optik wird mit einem sterilen Überzug versehen, sodass das Sterilisieren der Optik entfällt. So können mehrere Operationen hintereinander mit nur einer Optik durchgeführt werden. Die Eingewöhnungszeit auf das EinsteinVision®-System ist kurz. Die dreidimensionale Sicht beim laparoskopischen Operieren ist häufig deutlich besser als bei der konventionellen Operation, insbesondere wenn auf engem Raum operiert wird. Die Kamera mit der Lichtquelle besitzt einen Durchmesser von zehn Millimetern und kann auch in engste Räume gut positioniert werden, in die bei der konventionellen Chirurgie kaum eine ausreichende Ausleuchtung – geschweige denn ein ausreichender Blick für den Operateur und den Assistenten – erzielt werden kann. Bei der Laparoskopie haben Operateur und Assistant stets einen identischen Blick auf den Operationssitus. Komplexe operative Schritte wie zum Beispiel Lympnodektomie im Leberhilus oder intrakorporales Nähen von Anastomosen können mit dreidimensionaler Sicht, dank der exakten räumlichen Wahrnehmung, sicher wie bei der konventionellen offenen Chirurgie durchgeführt werden.

Konventionelle Chirurgie versus 3D-Laproskopie versus Robotik

 Konventionelle Chirurgie3D-LaparoskopieRobotik
Sicht auf Operationssitus++++++++
Haptik++++++
Operative Freiheitsgrade++++++
Minimalisierung des Operationstraumas+++++++
Erlernung der Methodik++++++
Kostenersparnis++++++

Die konventionelle Chirurgie ist die Basis der Chirurgie und kann klassisch durch Assistenz bei der Operation erlernt werden. Die Haptik ist durch das „Fingerspitzengefühl“ des Operateurs exzellent und die Freiheitsgrade sind durch die Beweglichkeit der menschlichen Hand definiert. Um eine ausreichende Exposition zu erreichen, muss eine entsprechende Zugangsinzision erfolgen. Diese stellt einen wesentlichen Teil des operativen Traumas dar, wodurch sich die verlängerte Rekonvaleszenz bei der konventionellen Chirurgie ableitet. In der Robotik hingegen ist die Sicht auf den Situs aufgrund modernster 3D-Visualisierung auch auf engstem Raum optimal. Dank der zusätzlichen Freiheitsgrade der Roboterarme können sogar mehr Freiheitsgrade, als die menschliche Hand besitzt, erreicht werden. Wegen der kleinen Zugangswege ist das operative Trauma im Bereich der Bauchdecke deutlich geringer als bei der konventionellen Chirurgie. Die wesentlichen Nachteile des Robotersystems sind jedoch das langwierige Training und die immensen Anschaffungs- und Materialkosten. Die 3D-Laparoskopie stellt gewissermaßen eine Brücke zwischen konventioneller Chirurgie und Robotik dar. Durch eine der Robotik entsprechende Optik kann der Operationssitus optimal dreidimensional abgebildet und vergrößert werden. In der Vergangenheit waren die Freiheitsgrade häufig durch die Trokarposition und die linearen Instrumente begrenzt. Mit den zunehmend auf den Markt kommenden abwinkelbaren Operations- und Versiegelungsinstrumenten können zusätzliche Freiheitsgrade geschaffen werden, die das größte Manko der minimalinvasiven Chirurgie wesentlich verbessern. Die Anschaffungs- und Materialkosten liegen bei der 3D-Laparoskopie deutlich unter den Kosten der Robotik, sodass nahezu alle Operationen innerer Organe kostendeckend durchgeführt werden können.

Fazit

Die 3D-Laparoskopie stellt ein exzellentes minimalinvasives Operationsverfahren dar. Am Klinikum Konstanz werden in der Thoraxchirurgie, der Gynäkologie und der Viszeralchirurgie alle minimalinvasiven Operationen mit höherem Schwierigkeitsgrad damit durchgeführt. Um ein kosteneffizientes Arbeiten zu gewährleisten, werden in der Viszeralchirurgie Operationen an Ösophagus, Magen, Pankreas, Nebennieren, Leber, Kolon und Rektum mit der 3D-Laparoskopie vorgenommen. Leistenhernienoperationen, Cholezystektomien und Appendektomien werden hingegen nach wie vor mit der klassischen 2D-Kamera operiert, die alternativ auch an den Operationsturm des EinsteinVision® angeschlossen werden kann.

Prof. Dr. Jörg Glatzle, MHBA
Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Stellvertretender Ärztlicher Direktor
Klinikum Konstanz, Akademisches Lehrkrankenhaus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Mainaustraße 35
78464 Konstanz
Deutschland