Die minimalinvasive Mitralklappenchirurgie mit Hilfe der 3D-Endoskopie
Professor Dr. med. Anno Diegeler, Chefarzt der Klinik für Kardiochirurgie, Rhön-Klinikum
Vorwort
Die Herz- und Gefäß-Klinik auf dem Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt gehört zu den großen herzchirurgischen und kardiologischen Zentren in Deutschland und Europa. Jährlich werden 2.500 große Herzchirurgische Eingriffe, 4.000 Kathetereingriffe und über 1.000 Ablationsprozeduren durchgeführt.
Die Behandlung von Erkrankungen an der Mitralklappe gehört traditionell zu den Spezialgebieten der Klinik. Dies ist einer langjährigen Kooperation mit der „Pariser Schule“ zu verdanken. Diese hat die Mitralklappenchirurgie in den 80er und 90er Jahren unter dem Pionier Alain Carpentier maßgeblich entwickelt und war zu diesem Zeitpunkt weltweit führend. Carpentier lehrte das heutige Verständnis der Pathophysiologie der Mitralklappe, sowie die daraus abgeleiteten Operationstechniken. Die Technik der Mitralklappenrekonstruktion hat sein Schüler Dr. Patrik Perier bereits in den 90er Jahren von Paris nach Bad Neustadt mitgebracht. Zusammen mit dem Team von Prof. Diegeler, der die minimalinvasive Technik aus Leipzig mitbrachte, wurde die Technik in Bad Neustadt erfolgreich weiterentwickelt. Als letzte dieser Entwicklungen ist die komplett endoskopische Technik mit 3D-Visualisation zu sehen.
Seit annähernd zehn Jahren wird die isolierte Mitralklappenchirurgie in Bad Neustadt in einer minimalinvasiven Technik durchgeführt. Inzwischen sind mit dieser Technik circa 2.000 Patienten erfolgreich operiert worden.
Die Chirurgie an der Mitralklappe
Das Erkrankungsspektrum an der Mitralklappe ist vielfältig. In früheren Jahren imponierte die sogenannte rheumatische Herzklappenerkrankung, die als Folgeerkrankung einer Infektion mit hämolysierenden Streptokokken (Scharlach) entstand. Im Rahmen der besseren Früherkennung und der antibiotischen Behandlung ist dieser Erkrankungstyp in den westlichen Ländern weitgehend in den Hintergrund geraten. Heute überwiegt die degenerative Mitralklappenerkrankung mit einer wohl genetisch vermittelten Veränderung des Klappengewebes. Sie zeichnet sich durch eine Entstehung prolabierender Gewebeanteile in den Segeln (zumeist dem posterioren Segel) aus. Begleitet wird dies von einer Verlängerung von Sehnenfäden oder deren Abriss. Als Folge entsteht eine Undichtigkeit der Mitralklappe von unterschiedlicher Ausprägung. Seltener sind akute bakterielle Entzündungen oder eine sogenannte sekundäre Mitralklappen-Undichtigkeit, die infolge einer Gefügedilatation des Herzens bei Herzmuskelschwäche entsteht, der Grund für einen chirurgischen Eingriff. Die Diagnose der Mitralklappenerkrankung stellt sich richtungsweisend durch die die klinischen Symptome, die Auskultation und letztlich beweisend durch die bildgebende Diagnostik, hier an erster Stelle durch die Echokardiographie.
Erkrankungen an der Mitralklappe kommen im Gegensatz zu vielen anderen Herzerkrankungen auch im jüngeren Lebensalter vor, etwa ab dem 30. Lebensjahr. Sie sind somit keine typische Erkrankung des alten Patienten.
Die chirurgische Therapie der Mitralklappenerkrankung hat zum Ziel, die Schließfunktion und die komplexe Physiologie der Mitralklappe im Zusammenspiel mit der Kontraktion des Herzmuskels und der sich hieraus ergebenden geometrischen Veränderungen durch eine anatomisch gerechte Reparatur wiederherzustellen. Kann eine Reparatur nicht erreicht werden, ist ein Ersatz der Klappe mittels biologischer oder mechanischer Klappenprothese notwendig. Dieser erfüllt auch die Schließfunktion, ist der Reparatur aber nicht gleichwertig. Dies gilt auch für die neuen interventionellen Verfahren wie den MitraClip™ (Abbott GmbH & Co. KG), die keine anatomisch gerechte Wiederherstellung der Mitralklappe bietet.
Seit 15 Jahren hat sich die minimalinvasive Technik für die isolierten Operationen an der Mitralklappe schrittweise etabliert. Aktuell werden in Deutschland gut 50 % der isolierten Operationen an der Mitralklappe über einen minimalinvasiven Zugang operiert. In einzelnen Zentren, wie auch in Bad Neustadt, ist der minimalinvasive Zugang inzwischen der Standard für die isolierte Chirurgie an der Mitralklappe. Der Anteil beträgt weit über 80 %.
OP-Technik
Bei der minimalinvasiven Technik der Mitralklappenchirurgie wird das Brustbein nicht eröffnet. Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) wird mit Kanülen über die Femoralgefäße angeschlossen. Der Zugang zum Herzen selbst erfolgt über eine kleine vier bis sechs Zentimeter lange rechtsseitige Thorakotomie: bei Männern etwa in Höhe der Mamille, bei Frauen etwas mehr nach lateral gerichtet, unterhalb der Brust. Ein Endoskop wird entweder über den 2. Intercostalraum oder unterhalb der Thorakotomie transthorakal über einen Port eingeführt. Das Perikard wird nach Wegnahme der Beatmung (unter HLM-Zirkulation oder bei Ein-Lungenbeatmung) cranio-caudal, 2 cm oberhalb und entlang des Nervus phrenicus eröffnet und mit Situationsnähten an die Thoraxwand herangezogen.
Die Aorta ascendens wird mit einer transthorakal eingeführten Klemme ausgeklemmt. Kardioplegische Lösung wird direkt in die Aorta ascendens infundiert, um einen Herzstillstand zu erzielen und das Myokard für die Zeit der Ischämie zu schützen. Ebenfalls transthorakal wird eine aktive Blutdrainage eingeführt, die mit der HLM verbunden ist. Ein spezielles Retraktionssystem, welches das Dach des linken Vorhofes anhebt und somit den Raum zur Mitralklappe öffnet, wird über eine getrennte Inzision ebenfalls transthorakal eingeführt (siehe Abbildung 1).
Die chirurgischen Maßnahmen an der Mitralklappe werden durch die zentrale Thorakotomie unter endoskopischer Führung und Verwendung endoskopischer Spezialinstrumente vorgenommen. Die Reparatur besteht im Wesentlichen aus einer Resektion von erkranktem Gewebe, Plikaturnähten und dem Einführen von neuen Sehnenfäden (Goretex™-Fäden der Firma Gore Medical), die als Ersatz der abgerissenen oder verlängerten Chordae-tendineae dienen und zwischen Papillarmuskel und freiem Rand der Herzklappe eingezogen werden. Die Implantation eines Stützringes auf den Anulus der Klappe, der die systolisch /diastolischen Bewegungen des Anulus stabilisiert, gehört zur Standardreparatur. Die chirurgischen Maßnahmen am geöffneten Herz benötigen zwischen 50 und gut 100 Minuten, in denen das Herz durch die kardioplegische Lösung ruhig gestellt und das in dieser Phase nicht durchblutete Myokard geschützt sind. Durch eine CO2-Insufflation in den Thoraxraum während dieser offenen Phase wird verhindert, dass Luftansammlungen in den Herzhöhlen verbleiben und sich im arteriellen Gefäßsystem verteilen. Letzteres könnte zu gefürchteten Luftembolien im Cerebrum führen. Ein ausgiebiges Entlüften der Herzhöhlen am Ende der offenen Operationsphase am Herzen gehört daher zum Standard.
Das Ergebnis der Rekonstruktion wird direkt am wieder schlagenden und voll belasteten Herzen über eine intraoperative transösophageale Echokardiographie überprüft.
Die Kurz- und Langzeitergebnisse der Operation an der Mitralklappe sind exzellent. Mit einem perioperativen Letalitätrisiko um 1 % gehört die Mitralklappenchirurgie zu den herzchirurgischen Eingriffen mit geringerem Risiko. Die Reparatur gelingt in über 95 % der Fälle, über 90 % der Reparaturen zeigen auch nach zehn Jahren noch ein konstant gutes Ergebnis.
Einsatz der 3D-Visualisierung
Die minimalinvasive Mitralklappenchirurgie hat sich in den letzten Jahren noch einmal technisch verfeinert. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die dreidimensionale endoskopische Bildgebung, wie sie das Aesculap EinsteinVision®-System bietet. Gerade für die chirurgischen Maßnahmen im Herzen ist die räumliche Darstellung von feinen anatomischen Strukturen von entscheidender Bedeutung. Nicht nur das 3D-Format hilft, auch die exzellente Auflösung der Kamera ermöglicht die erforderliche hohe chirurgische Präzision an den feinen Strukturen im Herzinnenraum. Eigene Erfahrungen und die Erfahrungen der Kollegen bestätigen, dass das dreidimensionale visuelle Feedback die Lernvorgänge bei der endoskopischen Chirurgie deutlich beschleunigt und auch vereinfacht. Selbst in der endoskopischen Chirurgie geübte und erfahrene Chirurgen schätzen die dreidimensionale Visualisation und die damit verbundene mögliche Verkürzung der Operationszeiten.
Fazit
Der Einsatz der dreidimensionalen Endoskopie in der Mitralklappenchirurgie führte dazu, dass der Zugangsweg zum Herzen weiter verkleinert werden kann. Inzwischen gelingt es uns, mit einer kosmetisch extrem günstigen perimamillären Schnittführung (siehe Abbildung 2), eine komplett endoskopische Mitralklappenchirurgie am offenen Herzen durchzuführen. Damit wurde eine neue Benchmark in der minimalinvasiven Mitralklappenchirurgie gesetzt.
